Purim - Karneval im Judentum

Purim-Gegenstände und der Schriftzug Happy Purim.
(Foto: tomertu/Fotolia)

Feiern die Juden eigentlich Karneval? Selbstverständlich. Zum einen spricht nichts dagegen, zusammen mit ihren nichtjüdischen Freunden am typischen Karneval im Rheinland (oder bei uns im Sauerland!) teilzunehmen Zum anderen haben die Juden aber auch noch ihr ganz eigenes Karnevalsfest: Purim.

 

Genau wie Chanukka ist auch Purim ein nicht in der Bibel vorgeschriebener Feiertag, der mit einem einzigen historischen Ereignis zusammenhängt. An Purim gedenkt man der Befreiung der Juden im Persischen Reich im 5. Jahrhundert vor der Zeitrechnung durch Esther und ihrem Cousin Mordechai. Das ganze "Drama" ist in einem kompletten Buch der Bibel, dem „Buch Esther“ („Megillat Esther“), niedergeschrieben, und schildert die Ereignisse, die zur Entstehung dieses Feiertags führten. Ereignisse, in der eben diese Esther die Hauptrolle spielt.

 

Das Purimfest wird am 14. oder 15. Adar (Februar/März) gefeiert und fällt damit in etwa in den Zeitraum des „rheinischen“ Karnevals.

 

Die Festlegung dieses Freudenfestes im jüdischen Kalender hat im wahrsten Sinne des Wortes die Auslosung ergeben. Denn das Wort „Pur“ (Plural: „Purim“) bedeutet „Los“. Und genau dieses ließ Haman, „Hauptbeamter“ von König Achaschwerosch von Persien (=König Xerxes I., um 519 bis 465 vor der Zeitrechnung) werfen, um damit den Tag zu bestimmen, an dem alle Juden im Persischen Reich umgebracht werden sollten.

 

Was war passiert? Am Hofe des persischen Königs Achaschwerosch in Susa stand der Jude Mordechai in Diensten, der zu denen gehörte, die aus Israel in die babylonische Gefangenschaft verschleppt wurden. Er hatte eine wunderschöne Cousine (andere Quellen sprechen von Nichte oder Adoptivtochter) namens Esther. Diese wird die zweite Frau des Königs, ohne sich ihm als Jüdin zu erkennen zu geben. Zweiter Mann im Reich ist Haman, der eines Tages außer sich vor Wut ist, da sich Mordechai als einziger weigert, sich vor ihm niederzuknien. Haman beschließt, alle Juden in Persien zu töten. Das Los fällt auf den 13. Adar. Unter Einsatz ihres eigenen Lebens setzte sich Esther, die sich nun als Jüdin zu erkennen gibt, bei ihrem Mann, dem König, für ihr Volk ein, woraufhin Hamans Befehl zurückgenommen wurde. Mehr noch: statt aller Juden im Persischen Reich werden am nächsten Tag, dem 14. Adar, Haman und seine Söhne hingerichtet.

 

In manchen Städten, wie zum Beispiel in Jerusalem oder Prag, wird Purim einen Tag später, am 15. Adar, gefeiert. Es wurde bestimmt, dass diejenigen Städte, die seit den Zeiten Josuas eine Stadtmauer haben – so wie Susa, der Ort der Esther-Geschichte – Purim am 15. Adar feiern sollen.

 

Zwei Besonderheiten unterscheidet die Esther-Geschichte von anderen biblischen Erzählungen: weder Gott noch das Land Israel werden auch nur mit einem Wort erwähnt. Das Purimfest steht im Judentum damit stellvertretend dafür, allen unterdrückten Juden in der Diaspora Trost und Zuversicht zu spenden.

 

Die wundersame Errettung des jüdischen Volkes – das ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit in der jüdischen Geschichte. Kein Wunder also, dass das Purimfest alljährlich ausgiebig gefeiert wird.

 

Und wie wird Purim gefeiert?

Eine Esther-Rolle
Das Buch Esther ruft nicht auf, nach Zion zurückzukehren, denn Gott kann sein Heil auch in der Fremde, in der Diaspora wirken. (Foto: natushm/Fotolia)

Am Tag vor dem Fest gibt es das „Fasten Esther“ („Taanit Esther“) in Erinnerung an das Fasten der Juden, um das Esther sie gebeten hat, damit ihre Pläne gelingen. Am Abend vor Purim wird die Esther-Rolle im Laufe des normalen Abendgebetes (und zusätzlich noch einmal am nächsten Morgen, denn die Esther-Geschichte muss alljährlich zweimal erzählt werden) öffentlich vorgelesen. Dabei geht es laut und turbulent zu. Denn jedes Mal, wenn der Name Haman in der Rolle erwähnt wird, beginnt in der Synagoge ein irrsinniger Lärm. Mit Rasseln und Knarren machen vor allem die Kinder einen Riesenkrach. Und auch die Erwachsenen stampfen mit den Füßen oder schlagen auf die Tische, um so ihre Verachtung vor Haman und damit symbolisch für alle Judenhasser auszudrücken. Was für ein Spaß vor allem für die Kinder, die heutzutage an Purim sogar verkleidet in die Synagoge kommen. Klar wollen die meisten Kinder Esther oder Mordechai „sein“, mittlerweile tragen die Kleinen aber auch Kostüme, die stark an den karnevalistischen Narrennachwuchs in Köln oder Düsseldorf (oder Attendorn!) erinnern.

 

Vor allem aber soll man an Purim an den Nächsten denken, besonders wenn er arm ist. Es ist deshalb Brauch, allen Freunden „essbare“ Geschenke zu machen und Gaben an mindestens zwei Arme oder an Wohltätigkeitsvereine zu geben.

 

Haman-taschen und jede Menge wein

Ein Teller voll mit Haman-Taschen.
Die Haman-Taschen dürfen nicht fehlen. (Foto: irisphoto/Fotolia)

Kulinarisch gibt es wie bei fast allen jüdischen Feiertagen natürlich auch auf Purim wieder etwas Besonderes: Haman-Taschen, kleine, dreieckige Hefeteigstücke, die mit Mohn, Nüssen oder Marmelade gefüllt sind. Warum dreieckig? Die einen Gelehrten verweisen auf einen dreieckigen Hut Hamans, andere gelehrten sehen darin die symbolische Verbindung zu den Urvätern Abraham, Isaak und Jakob.

 

 

Kommen wir zum Thema Trinken. Anders als den Muslimen ist den Juden das Trinken von Alkohol durchaus erlaubt. Bei einigen festlichen Anlässen, am Schabbat oder an Pessach, ist der Genuss von Wein sogar ein religiöses Gesetz, natürlich in Maßen. Doch an Purim dürfen die Juden, ja sie sollen sogar trinken, bis sie den Satz „Verflucht sei Haman“ nicht mehr vom Satz „Gesegnet sei Mordechai!“ unterscheiden können. Das ist doch mal eine Ansage.

 

Frühling, Lärm, Verkleidung und Alkohol – so sehr unterscheidet sich das Ausleben des jüdischen vom rheinischen Karnevals also gar nicht. Aber die Esther-Geschichte macht das jüdische Karnevalsfest zu einem ganz besonderen Fest.

 

(Tom Kleine)

 

Quellen:

  • „Was ist koscher? – Jüdischer Glaube, jüdisches Leben“ (Paul Spiegel, Ullstein Verlag, 2003)
  • „Jüdische Welt verstehen – 600 Fragen und Antworten“ (Alfred J. Kolatch, marixverlag Wiesbaden, 2. Auflage 2011)
  • "Von Bar Mizwa bis Zionismus - Jüdische Traditionen und Lebenswege in Westfalen" (Jüdisches Museum Westfalen, Dorsten, Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld, 2007)

 

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