Verlegestelle Wasserstraße 1-2

5 Stolpersteine

Drei Stolpersteine
Zwei Stolpersteine

Stolpersteine verlegt am 15.11.2006 in der Wasserstraße 1-2 in Attendorn. Gestiftet vom FDP-Ortsverband Attendorn und Hedwig Kemmerich (Stolpersteine Hermann und Emilie Stern), Familie Klaus Böckeler (Stolperstein Erna Falk), Familie Bruno Droste und Familie Hartmut Hosenfeld (Stolpersteine Emil und Betty Stern). (Fotos: Tom Kleine)

  • Hermann Stern, *20.02.1874 in Siegen, wohnhaft in Attendorn seit 1900
  • Emilie Stern, geborene Lenneberg, *24.09.1881 in Attendorn
  • Emil Stern, *18.09.1877 in Siegen, wohnhaft in Attendorn seit 1902
  • Betty Stern, *06.01.1890 in Siegen, wohnhaft in Attendorn seit 1902
  • Erna Falk, geborene Cohn, *28.07.1904, Frau Erna Falk lebte bis 1935 in Attendorn

Hermann und Emilie Stern

Hermann Stern

Hermann Stern
*20.02.1874 in Siegen

Wohnhaft in Attendorn seit 1900, Kaufmann, verheiratet in zweiter Ehe seit 13.01.1939 mit Emilie.

Emilie Stern

Emilie Stern

geborene Lenneberg, *24.09.1881 in Attendorn
Ihre im Jahr 1928 verstorbeneSchwester Henriette, genannt Henny,
war die erste Ehefrau von Hermann.

Beide erhofften sich durch die Heirat eine bessere Möglichkeit zur Ausreise aus dem  nationalsozialistischen Deutschland. Die Söhne aus der ersten Ehe (Kurt, Walter und Gerhard Gabriel) hatten den beiden zu diesem Schritt geraten, zumal es Gerhard einfacher erschien, ein Visum nach Palästina für ein Ehepaar als zwei Einzelvisen zu erlangen.

Das Kaufhaus Lenneberg während der NS-Diktatur

Das Kaufhaus R. Lenneberg in der Wasserstraße (heute Drogeriemarkt Rossmann) war das erste Kaufhaus in Attendorn mit Fahrstühlen zu allen Etagen. In staatlich angeordneten Berichten wird von dem Kaufhaus R. Lenneberg als dem Kaufhaus des südlichen Sauerlandes schlechthin gesprochen oder als Hauptstützpunkt jüdischen Geschäftslebens im Sauerland.

Ab dem Frühjahr 1938 wurde den wenigen verbliebenen jüdischen Bürgern in Attendorn das tägliche Leben immer schwerer gemacht und die persönliche Bewegungsfreiheit immer weiter eingeschränkt. Bei Kriegsausbruch im September 1939 lebten in Attendorn nur noch sieben  jüdische Bürger im Sinne „Reichsbürgergesetzes“ von 1935. Durch die „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ vom 01.09.1941 waren natürlich auch die Attendorner Juden verpflichtet, den „Judenstern“ zu tragen.


Zu dieser Zeit wohnten aus der ehemaligen jüdischen Gemeinde nur noch die Eheleute Hermann und Emilie Stern und die Geschwister Emil und Betty Stern in Attendorn, die ihre Häuser auf Druck der Partei hatten aufgeben müssen und zwangsweise in das Haus Breite Techt 97, das alte Böheimersche Haus, eingewiesen worden waren.


Jegliches Auftreten von ihnen in der Öffentlichkeit und besonders auch ein Zusammentreffen mit „Ariern“ wurde von einigen Mitbürgern argwöhnisch beobachtet und nicht erlasskonformes Verhalten sofort zur Anzeige gebracht.

 

Im Februar 1942 meldeten sich die Eheleute Hermann und Emilie Stern als auf Reisen befindlich in
Attendorn ab; diesen Rat hatte ihnen der Stadtinspektor Worringen gegeben. Als neuer Wohnsitz war Wuppertal-Elberfeld, Hellerstraße 11, bei Ursell, angegeben. Der Grund für diese Handlungsweise war, dass Juden, wie oben erwähnt, ihren Wohnsitz nicht ohne Genehmigung verlassen durften.


Trotz des allgemeinen Auswanderungsverbotes wollten die Eheleute Stern doch noch versuchen, ins Ausland zu gelangen. Sie wollten in Wuppertalzuvor noch die englische Sprache erlernen, um sich im Falle der Auswanderung im aufnehmendenLand besser verständigen zu können. Um nicht für jede Fahrt nach Wuppertal erneut eine Genehmigung beantragen zu müssen, meldeten sie sich
„als auf Reisen befindlich“ ab.


Im Juli 1942 erhielten sie in Wuppertal die Aufforderung, sich zwecks Deportation nach dem Osten
zu melden; das Deportationsziel war Minsk. Nach Auskunft des Bundesarchivs in Koblenz gelten
Hermann und Emilie Stern seit diesem Zeitpunkt als verschollen.

Erna Irene Falk, geborene Cohn

Erna Irene Falk

 

Erna Irene Falk
geborene Cohn, *30.09.1904 in Attendorn, gest. Mai 1944 im KZ Auschwitz

Erna Cohn besuchte nach der Volksschule und dem Lyceum in Attendorn die Frauenfachschule in
Olpe und bestand am 12.-14. März 1925 die Prüfung als Kindergärtnerin.


Im Mai 1935 zog sie mit ihrer Mutter nach Münster. Dort lernte sie ihren künftigen Mann kennen.
Am Chanukkafest des Jahres 1937 verlobte sie sich mit dem Kaufmann Richard Falk aus Beckum,
der am 13.7.1903 als Sohn der Eheleute Alex Falk und Paula, geborene Lenneberg aus Attendorn,
geboren worden war. Erna Cohn heiratete am 24.01.1938 den Kaufmann Richard Falk. Die Tochter
Reha (Rahel) Mathel wurde am 12. Dezember 1938 in Münster geboren. Die junge Familie erhielt
1939 die Erlaubnis nach England auszuwandern.

Das Haus Cohn

Richard Falk wanderte am 15.07.1939 nach England aus und verstarb dort 1962.


Erna Falk folgte ihrem Mann nicht nach England, sondern blieb mit ihrer kleinen Tochter bei ihrer an Krebs erkrankten Mutter. Nach deren Tod im Jahr 1941 hatte sie keine Möglichkeit mehr, Deutschland zu verlassen. Sie wurde mit ihrer Tochter nach Hopsten (Kreis Borken) in ein sogenanntes Judenhaus umgesiedelt und von dort ebenso wie ihre Schwester, zuerst in das Ghetto Theresienstadt und dann nach Auschwitz verschleppt, wo sie 1944 ermordet wurde. Erna Falk war damals 39 Jahre und ihre Tochter Rahel Mathel 5 Jahre alt.

Emil und Betty Stern

Emil Stern

Emil Stern
*18.09.1877 in Siegen, Flucht in den Tod am 25.07.1942 in Attendorn.

Prokurist bei der Firma R. Lenneberg.

Betty Stern

Betty Stern
*06.01.1890 in Siegen, Flucht in den Tod am 25.07.1942 in Attendorn (Suizidversuch), gest. 29.07.1942 in Dortmund im Gestapogefängnis Steinwache.

Emil absolvierte eine kaufmännische Lehre und arbeitete im Familienbetrieb (Kaufhaus Raphael
Lenneberg) in Attendorn mit. Am 15. August 1914 wurde ihm Prokura für die Firma R. Lenneberg
erteilt.


Emil Stern, der vom 3. Januar 1917 bis 8. Dezember 1918 zum Heeresdienst eingezogen war, wurde
das Frontkämpfer-Ehrenzeichen 1934 verliehen. Während des Ersten Weltkrieges war Betty Stern
als Mitglied des vaterländischen Frauenvereins als Hilfsschwester tätig. Für ihre Mitarbeit im vaterländischen Frauenverein wurde sie geehrt.


Außerdem wurde ihr auf Befehl des Kaisers und Königs für ihre Verdienste um das Rote Kreuz die
Rote Kreuz Medaille 3. Klasse und vom Vaterländischen Frauenverein das „Andenken für Mitarbeit“ verliehen.

 

Zunächst lebten Emil Stern und seine Schwester Betty im eigenen Haus, Hindenburgwall, heute
Südwall.


Sie waren die letzten verbliebenen Juden in Attendorn und mussten nach der Reichspogromnacht ihr eigenes Haus veräußern und bis zu ihrem Freitod 1942 zur Miete im alten Böheimerschen Haus wohnen.


Am 27. Juli 1942 sollten Emil und Betty Stern ins Altersghetto Theresienstadt „evakuiert“ werden.
Nachdem beide von der bevorstehenden Verschickung Kenntnis erhalten hatten, nahmen sie ein
stark wirkendes Schlafmittel ein. Das Gift war ihnen von einem der Familie Stern befreundeten Attendorner Apotheker verschafft worden. Emil Stern wurde am Tag des Abtransports nach Dortmund tot in seinem Bett aufgefunden, seine Schwester war bewusstlos.


Auf Anordnung der Gestapo in Dortmund wurde Betty von der Sanitätskolonne des Roten Kreuz in
bewusstlosem Zustand nach Dortmund transportiert und dort ins Gestapogefängnis, Steinwache,
eingeliefert. Dort soll sie zwei Tage später (am 29.07.1942) verstorben sein.


Emil Stern wurde auf dem jüdischen Friedhof in Attendorn beerdigt. Frau Fine Reuber, geb. Schmidt, berichtete über den Tod der Geschwister Stern:


„Beide hatten Gift genommen; der Max Lenneberg hatte ihnen dazu geraten, wenn sie dem allen entgehen wollten. Emil Stern ist von meinem Vater beerdigt worden. Er hatte meinem Vater einige Tage vorher geschrieben, es würde demnächst die Stadt an ihn herantreten, um etwas auszuführen; er möchte doch seinem Wunsch entsprechen; er hat ihm auch das Geld (für den Sarg) gegeben. Mein Vater hat von Stinns einen Sarg gekauft, und ein Geselle und mein Vater haben ihn eingesargt. Emil Stern hat ganz friedlich, völlig unverkrampft, im Bett gelegen. Der ehemalige Totengräber hat das Grab geschaufelt. Auf der Handkarre haben sie den Emil zum Friedhof gefahren und dort begraben.“