Gedenktafel Innenstadt

Die Gedenktafel in der Attendorner Innenstadt

 

Im Vorfeld zum Gedenken an die Pogromnacht 50 Jahre zuvor hatte die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Attendorn im Jahr 1988 beschlossen, mit einer Bronzeplatte an das ehemalige jüdische Bethaus (im Attendorner Volksmund "Synagoge" genannt) und die Geschehnisse um den 9. und 10. November 1938 zu erinnern.

 

Die Erinnerungstafel wurde an dem Neubau des zwei Jahre zuvor abgerissenen Originalgebäudes in der Straße "Im Hohl" in der Attendorner Innenstadt angebracht. In einer würdigen Gedenkstunde wurde den Attendorner Bürgern die Gedenktafel am 10. November 1988 vorgestellt und am 13. Februar 1989 endgültig in der Hauswand des Neubaus, der auf dem Grundstück errichtet wurde, auf dem der ehemalige jüdische Betraum gestanden hatte, verankert. Die Gedenksansprache hielt Roman Mensing, Leiter des St.-Ursula-Gymnasiums Attendorn.

 

Die Gedenktafel wurde ebenso wie die Tafel auf dem jüdischen Friedhof vom Attendorner Bildhauer Karl-Josef Hoffmann gestaltet, der nach eigener Aussage beim Entwurf und der Fertigstellung der Tafel persönliche Erlebnisse aus seiner Kindheit vor Augen hatte:

 

"Ich war damals 9 Jahre alt (1933/34) und hatte das folgende bleibende Erlebnis gleich am Anfang der Nazi-Diktatur: Die SA hatte bei Carl Ursell, Niederste Straße, Schrifttafeln aufgestellt, die von uniformierten SA-Leuten an beiden Seiten gehalten wurden. Die Bürgerschaft schaute abwartend zu; nur wenige besuchten noch das Textilwarengeschäft, indem sie unter dem Lattengestell gebückt hergingen. Daraufhin wurden die Standlatten in mehreren Etappen immer kürzer gemacht, bis eine alte Frau (Frau Kronenberg, am Bieketurm *)) als letzte auf den Knien darunter herkroch." (linkes Bild der Tafel).

 

Die eingeschlagene Fensterscheibe (Bild oben rechts) soll laut Künstler Sinnbild für den Terror in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 sein. Am ehemaligen jüdischen Kaufhaus "Lenneberg" (heute Drogerie Rossmann) wurde durch die Nazi-Horden allerdings kein Schaden angerichtet, da dieses schon arisiert worden war und von der Firma Potthoff und Scholl betrieben wurde. Das gegenüber liegende Textilkaufhaus Cohn hingegen fiel um so mehr der Zerstörung anheim.

 

Karl Josef Hoffmann äußerte sich weiter: "Am Morgen nach der "Reichskristallnacht": Wir bekamen am Gymnasium gegen 10 Uhr schulfrei und stürzten in die Stadt, um uns die Zerstörungen anzuschauen. Viele Zuschauer standen gaffend vor den zerstörten Schaufenstern der jüdischen Geschäfte, besonders in der Wasserstraße."

 

Zum Bild auf der Gedenktafel unten links erinnerte sich der Künstler besonders bitter: "Als ich an der Villa Stern (heute Südwall 67) vorbeiging, schaute Fräulein Stern, die später mit ihrem Bruder den Freitod suchte, um der Deportation zu entgehen, angstvoll durch die zersplitterten Scheiben der Haustür."

 

Hermann Hundt: "Hoffen wir, dass die "Saat der Gewalt", von Karl-Josef Hoffmann aus den Glasscherben der zersplitterten Eingangstür stilisiert, nie wieder aufgeht."

 

 

*) Nach Recherche von Hartmut Hosenfeld incl. Befragung von Zeitzeugen und deren Nachkommen könnte es sich bei der alten Frau auch um die Ehefrau des Studienrates Meyer gehandelt haben. Dies hätte eine unglaubliche Symbolkraft: ausgerechnet die Frau eines Staatsbediensteten leistete diesen zivilen Ungehorsam.

 

Weitere Notiz von Hermann Hundt // Juni 2016:

"Noch eine Notiz zum oben aufgeführten Aufsatz und der dort beschriebenen Mahntafel. Ich habe heute (30.05.2016) mit Karl-Josef Hoffmann telefoniert und zum Thema wurde auch die Mahntafel neben der ehemaligen Synagoge. Ergänzend zu seinen Informationen von 1988, die im Aufsatz verarbeitet sind, teilte er noch mit, dass, als Frau Stern angstvoll hinter der zerstörten Scheibe herausgeguckt habe, ein Klassen"kamerad" aus seiner Begleitung einen weiteren Stein auf die Tür und Frau Stern geworfen habe. - Die Tür sei übrigens noch heute in Gebrauch und erinnere ihn immer wieder an das Geschehene."

 

Quellen:

  • Hermann Hundt, Mitteilungsblatt Verein für Orts- und Heimatkunde Attendorn, 1989
  • Hartmut Hosenfeld: Jüdisch in Attendorn. Die Geschichte der ehemaligen jüdischen
    Gemeinde in Attendorn. Jüdisches Leben im Kreis Olpe, Band IV. Attendorn, 2006
  • Hermann Hundt, "Ein Stückchen Attendorn". Aufsätze zur Stadtgeschichte und Landeskunde. Attendorn, 2016, Privatdruck.
Standort der Gedenktafel in der Attendorner Innenstadt
Die Erinnerungstafel wurde an dem Neubau des zwei Jahre zuvor abgerissenen Originalgebäudes in der Straße "Im Hohl" in der Attendorner Innenstadt angebracht. (Foto: Tom Kleine)